„Ja, wir sind aber in Österreich, da muss man Deutsch sprechen.“
Ein Kommentar von Verena Blaschitz.
Sprachgebote treten in unserer Gesellschaft häufig auf: in der Schule, im Kindergarten, in der Öffentlichkeit, in Unternehmen. Sie richten sich sowohl an Kinder als auch an Erwachsene, etwa wenn diese im Rahmen ihrer Berufsausübung bestimmte Sprachen nicht verwenden dürfen (so wurde etwa einer Pflegerin in der Steiermark untersagt, in ihrer Arbeitszeit und den dazugehörenden Pausen Slowenisch zu sprechen) oder wenn Erwachsene in der Öffentlichkeit aufgefordert werden, bestimmte Sprachen (nicht) zu sprechen (man denke beispielsweise an die „Welser Hausordnung“ der FPÖ mit der Regel „Red´ ma Deutsch“). Sprachgebote werden von unterschiedlichen Personen erteilt: von pädagogischen Instanzen wie Schulleiter:innen, Lehrkräften oder Kindergartenpädagog:innen, von Erziehungsberechtigten ihren Kindern gegenüber (zum Beispiel für den Sprachgebrauch in einer Bildungseinrichtung), von anderen Kindern, von Arbeitgeber:innen und ganz klar auch von der Politik.
Sprachgebote widersprechen diversen (inter-)nationalen Sprachenrechten bzw. gesetzlichen Bestimmungen. Aus einer linguistischen (und sprachförderlichen) Perspektive gibt es keine Argumente, die für Sprachgebote sprechen. Ganz im Gegenteil: Sprachgebote verunsichern, sie üben Druck aus und sie vermitteln, dass bestimmte Sprachen und damit auch ihre Sprecher:innen weniger wert seien. Sprachgebote helfen sicher nicht beim Erwerb einer Sprache, sondern behindern diesen womöglich.
Sprachgebote werden mit wiederkehrenden Argumenten begründet bzw. gerechtfertigt: Es wird argumentiert, dass Sprachgebote dem Erwerb des Deutschen nützten: So behaupten FPÖ NÖ und ÖVP NÖ in ihrem Arbeitsübereinkommen 2023, dass die „Pausensprache Deutsch“ zur „Verbesserung der Deutschkenntnisse“ führe. Sprachgebote würden weiters helfen, Konflikte und Ausgrenzung zu verhindern. In diesem Sinn ist in einer Schulordnung zu lesen: „Damit wir einander nicht ausgrenzen, sprechen wir Deutsch miteinander“[1]. Sprachgebote förderten das gegenseitige Verständnis (Elementarpädagogin: „Wenn wir wollen, dass wir uns alle verstehen, dann sprechen wir Deutsch“). Nicht zu vergessen das Argument, dass es respektlos sei, in Anwesenheit anderer eine nicht allen geläufige Sprache zu verwenden, denn es könne ja schlecht über jemanden gesprochen werden (so heißt es in einer anderen Schulordnung: „Wir wissen, dass es unhöflich ist, wenn wir in einer Sprache sprechen, die andere nicht verstehen. Unsere gemeinsame Sprache ist Deutsch.“).
Nichts davon lässt sich (linguistisch) bestätigen. Der primäre Nutzen von Sprachgeboten scheint in der Aufrechterhaltung von Hierarchien zwischen Sprachen und ihren Sprecher:innen sowie in der Ausübung von (symbolischer) Macht zu liegen. Erkennbar ist dies unter anderem daran, dass von Sprachgeboten üblicherweise nur bestimmte Sprachen betroffen sind, nämlich solche mit einem geringen Prestige (etwa Arabisch, Rumänisch), während prestigereiche Sprachen (z.B. Englisch, Französisch) davon unberührt bleiben.
Sprachgebote sind insbesondere in Bildungseinrichtungen häufig: Diese seien der Ort für Deutsch (so titelte etwa Heute im Jahr 2022: „Pflicht-Deutsch in Schul-Pausen statt »Jugo Sprech«“) und die jeweilige nicht-deutsche Sprache könne zuhause gesprochen werden: „Muttersprache ja, aber zuhause“, wie es ein:e Nutzer:in in einem Onlineforum ausdrückt. Die enorme Bedeutung von Deutsch in österreichischen Bildungseinrichtungen scheinen auch schon junge Kinder verinnerlicht zu haben. So berichten bereits fünf- bis sechsjährige Kinder darüber, ihre nicht-deutschen Sprachen „nur heimlich“ oder „leise“ im Kindergarten zu sprechen bzw. „nicht mal, wenn ich mich verstecke“. Ein anderes Kind begründet sein selbst auferlegtes Erstsprachverbot im Kindergarten so: „Weil sie dann denken werden, dass ich nicht Deutsch spreche mit anderen und dann werfen sie mich raus aus dem Kindergarten.“ Welche Auswirkungen Sprachgebote auf junge Kinder, auf ihre (sprachliche) Identität und ihr Selbstbewusstsein als mehrsprachige Person haben, lassen sich bis dato nur erahnen.
Für die gegenwärtige Zunahme von Sprachgeboten, die sich mit zahlreichen Beispielen und Berichten (etwa aus Bildungseinrichtungen) belegen lässt, ist die Politik verantwortlich. Diese beeinflusst und prägt nicht nur das gesellschaftliche Klima, sondern verfügt durch politische Maßnahmen über die Macht, Wirklichkeiten zu schaffen (etwa zuletzt die bereits erwähnte Forderung nach „Pausensprache Deutsch“ im Arbeitsübereinkommen der Volkspartei Niederösterreich und FPÖ Niederösterreich 2023-2028). In den letzten Jahren ist der gesellschaftliche und politische Druck hinsichtlich der Verwendung und des Lernens von Deutsch stark angestiegen. Die Überhöhung der Bedeutung von Deutsch bei gleichzeitiger Marginalisierung bestimmter anderer (Migrations-)Sprachen resultiert in der Zunahme von Deutschgeboten in Österreich. Durch Sprachverbote werden Diskriminierungen und Ungleichheiten reproduziert und verfestigt. Statt Sprachgebote zu erteilen wäre es sinnvoller, den Fokus auf das Gemeinsame, Verbindende zu legen und Mehrsprachigkeit nicht als Gefahr und Bedrohung, sondern als Ressource und Chance anzusehen. Dr. Verena BLASCHITZ ist Linguistin und ist derzeit als Universitätsassistentin am Institut für Germanistik, Fachbereich Deutsch als Fremd-/Zweitsprache, sowie am Zentrum für Lehrer*innenbildung der Universität Wien tätig. Sie leitet das FWF-Projekt „Das sprachliche Handeln mehrsprachig sozialisierter Kinder in der Institution Kindergarten“
[1] Die Zitate sind von der Autorin gesammelte Originalaussagen.

