Mit ihrem im März 2025 vorgelegten Entwurf für eine Rückführungsverordnung strebt die Europäische Kommission eine Vereinheitlichung des unionsrechtlichen Rückführungsregimes an, um eine „effektivere“ und „modernere“ Rückkehrpolitik zu ermöglichen. Der Entwurf gewährt den Mitgliedstaaten jedoch weitreichende Umsetzungsspielräume und wirft aus rechtsstaatlicher Perspektive insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes erhebliche Bedenken auf.

Von Jakob Fux und Sebastian Sperner

Am 11. März 2025 stellte die Europäische Kommission ihren Entwurf für eine neue Rückführungsverordnung (Rückführungs-VO) vor. Ziel dieser Verordnung ist es, die aktuell geltende Rückführungsrichtlinie zu ersetzen, damit eine Fragmentierung des unionsrechtlichen Rückführungsregimes zu verringern und „effektive, moderne Rückkehrverfahren“ in der gesamten Europäischen Union zu implementieren. Der Vorschlag stieß bereits im Vorfeld auf erhebliche Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie der deutschen NGO Pro Asyl, die von einem „Blankoscheck für alle Arten von Rückführungsfantasien in Drittstaaten“ und einem erheblichen Ausbau der Schubhaft sprechen.

Dieser Beitrag analysiert den Entwurf der Rückführungs-VO im Hinblick auf unions- und verfassungsrechtliche Parameter und untersucht kritisch, inwieweit er tatsächlich zu einer Vollharmonisierung der rückführungsrechtlichen Bestimmungen führen würde. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf etablierten innerstaatlichen Umsetzungen und deren möglichen Veränderungen, wie der Schubhaft und der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln. Darüber hinaus werden im Entwurf enthaltene neuartige Instrumente rechtlich eingeordnet.

Potenziell unbefristete Inhaftierung

Der Vorschlag der Kommission für eine Rückführungs-VO enthält zahlreiche detaillierte Bestimmungen zu Voraussetzungen und zulässiger Dauer von Schubhaft, zur Vorbereitung der Rückkehr oder zur Sicherung der Abschiebung, so wie dem Rechtsschutz dagegen.

Besonders hervorzuheben ist ein neuer Schubhaftgrund, die Sicherungshaft für Drittstaatsangehörige, die ein „Sicherheitsrisiko“ darstellen (Art 29 Abs 3 lit c iVm Art 16 Rückführungs-VO). Dieser Haftgrund ist ein Novum im Kontext des Rückführungsregimes. Nach innerstaatlicher Rechtslage in Österreich existiert Sicherungshaft bislang primär zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz. Die geplanten Bestimmungen zur Sicherungshaft sind weitgehend auf Vollharmonisierung ausgelegt, abgesehen von der Regelmäßigkeit der Haftüberprüfung. Gemäß Art 16 Abs 3 lit d Rückführungs-VO kann die Sicherungshaft über die Höchstdauer von 24 Monaten hinaus andauern, solange sie von einer Justizbehörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festgelegt wird und mindestens alle drei Monate überprüft wird. Die potenziell unbefristete Inhaftierung im Rahmen der Sicherungshaft erscheint rechtsstaatlich äußerst bedenklich und sollte in dieser Form nicht beschlossen werden, da sie die Verhältnismäßigkeit der Inhaftierung als zentrales Kriterium gefährden könnte.

Die Rückführungs-VO sieht zudem dem bisherigen Regime folgend vor, dass die Schubhaft so kurz wie möglich und nur so lange dauern soll, wie ein Haftgrund gegeben ist (Art 32 Abs 1 Rückführungs-VO). Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist ebenfalls explizit vorgeschrieben (Art 29 Abs 1 Rückführungs-VO). Die größte Änderung im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage ist die Verlängerung der grundsätzlich zulässigen Haftdauer von sechs auf zwölf Monate. Die Haftdauer kann zudem um weitere zwölf Monate verlängert werden, unter gleichen Voraussetzungen wie bisher (fehlende Kooperationsbereitschaft der betroffenen Person oder erhebliche Verzögerungen bei der Beschaffung von Unterlagen). Es bleibt fraglich, ob die Mitgliedstaaten eine kürzere Höchstdauer der Verlängerung vorschreiben könnten; selbst wenn, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass Österreich diesen Spielraum nutzen würde.

Rechtsschutz und Haftüberprüfung

Der Verordnungsentwurf räumt den Mitgliedstaaten erhebliche Umsetzungsspielräume im Hinblick auf den Rechtsschutz gegen Schubhaft und gelindere Mittel ein. Handlungsbedarf besteht insbesondere im Bereich der gelinderen Mittel. Art 31 Abs 5 Rückführungs-VO sieht eine antragsgebundene oder amtswegige Überprüfung durch eine justizielle Stelle innerhalb von zwei Monaten vor, die im bestehenden österreichischen System nicht oder nicht in dieser Frist vorgesehen ist. Eine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit des gelinderen Mittels innerhalb von zwei Monaten kann daher als Verbesserung zum jetzigen System angesehen werden.

Auch beim Rechtsschutz gegen die Schubhaft gibt es keine vollständige Harmonisierung. Art 33 Abs 1 Rückführungs-VO schreibt vor, dass die Inhaftnahme mindestens alle drei Monate auf Antrag oder amtswegig überprüft werden muss. Mitgliedstaaten können aber auch eine kürzere Frist vorsehen. Derzeit ist in Österreich eine amtswegige periodische Überprüfung nur bei über vier Monate andauernder Anhaltung in Schubhaft alle vier Wochen durchzuführen. Die Rückführungs-VO stellt hier eine Verbesserung dar, da die erste amtswegige Überprüfung nun spätestens nach drei Monaten stattfinden muss.

Aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln

Die Asylverfahrens-VO und die geplante Rückführungs-VO enthalten wichtige Vorgaben für Rechtsmittel gegen Rückkehrentscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf den Rechtsschutz der Betroffenen haben können. Der Entwurf der Rückführungs-VO sieht – wie bereits die aktuell geltende Rückführungsrichtlinie – Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Rückkehrentscheidungen, Einreiseverbote und Abschiebungen vor. Eine Justizbehörde muss dabei eine „umfassende Ex-nunc-Prüfung in sachlicher und rechtlicher Hinsicht“ vornehmen und potenzielle Verstöße gegen das Refoulement-Verbot prüfen – auf Antrag oder von Amts wegen. Zwar wird unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt, diese kann jedoch nach Art 25 Abs 5 lit c Rückführungs-VO eingeschränkt werden, wenn „davon ausgegangen wird, dass der Rechtsbehelf keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg hat oder missbräuchlich ist.“

Besonders gravierend ist die Regelung zur aufschiebenden Wirkung: Nach Art 28 Abs 2 Rückführungs-VO muss diese gesondert beantragt werden. Das Gericht hat darüber sodann innerhalb von 48 Stunden zu entscheiden.

Noch restriktiver sind die Regelungen in der Asylverfahrens-VO: Die automatische Aussetzung einer Rückkehrentscheidung ist an das „Recht auf Verbleib“ im Mitgliedstaat geknüpft, das in vielen Fällen entzogen werden kann. Auch hier ist ein gesonderter Antrag im Rechtsmittelverfahren nötig, eine konkrete Entscheidungsfrist ist jedoch nicht vorgesehen. Eine Abschiebung darf erst nach Entscheidung über einen fristgerecht gestellten Antrag erfolgen. Bei Folgeanträgen, die als missbräuchlich eingestuft werden, können diese Mindeststandards entfallen, was eine sofortige Abschiebung erlaubt.

Entwurf ignoriert Judikatur von EuGH und EGMR zur aufschiebenden Wirkung

Die geplanten Regelungen der Rückführungs-VO weichen deutlich von den bisherigen Standards der Rückführungsrichtlinie sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ab. Der EuGH betonte in der Rechtssache Gnandi[1], dass ein Rechtsbehelf gegen eine Rückkehrentscheidung kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung haben müsse, um den Anforderungen aus dem Grundsatz der Nichtzurückweisung und Art 47 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC) zu genügen. ECRE weist zutreffend darauf hin, dass die vorgesehene indirekte Abschwächung – insbesondere der Verlust des Verbleiberechts und der Wegfall der automatischen aufschiebenden Wirkung – mit der EuGH-Judikatur nicht vereinbar ist. Zugleich widersprechen die neuen Vorgaben auch der Rechtsprechung des EGMR, wonach Beschwerden mit Berufung auf ein Risiko nach Art 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stets automatisch aufschiebende Wirkung entfalten müssen. Insbesondere judiziert der EGMR, dass ein reines Antragsmodell mit ermessensabhängiger Entscheidung keine ausreichende Effektivität gewährleistet. Die in der Rückführungs-VO vorgesehene Pflicht zur Beantragung sowie die enge Entscheidungsfrist von 48 Stunden stehen daher im klaren Widerspruch zu diesen Anforderungen.

Gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen

Der Entwurf enthält die verpflichtende gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen anderer Mitgliedstaaten. Zwar ist dies im österreichischen Recht bereits in § 46b FPG vorgesehen und die entsprechende EU-Richtlinie wurde umgesetzt, es mangelte bislang jedoch an praktischer Relevanz. Mit dem Verordnungsentwurf dürfte sich das ändern: Nach Art 7 Abs 8 Rückführungs-VO ist eine „Europäische Rückkehranordnung“ im Schengener Informationssystem bereitzustellen, auf deren Basis der Vollstreckungsstaat gemäß Art 9 Rückführungs-VO die Abschiebung durchführen soll. Dagegen sprechen jedoch erhebliche Unterschiede in den Anerkennungsquoten und Schutzstandards zwischen den Mitgliedstaaten. Eine rechtsstaatlich einwandfreie Anerkennung setzt zum Beispiel voraus, dass Betroffene ihre Verfahrensrechte wirksam ausüben können – was derzeit nicht in allen Mitgliedstaaten gewährleistet ist.

Return Hubs in Drittstaaten

Die drastischste Änderung des Verordnungsentwurfs ist die geplante Institutionalisierung von so genannten Return Hubs. Art 4 Z 3 lit g des Entwurfs sieht vor, dass ein „Drittstaat, mit dem ein Abkommen oder eine Vereinbarung besteht“, als Rückkehrstaat in Frage kommt, auch wenn die betroffene Person keine Verbindung zu diesem Land hat. Dieser Paradigmenwechsel in der europäischen Rückführungspolitik wirft zahlreiche grund- und menschenrechtliche Bedenken auf. Die EU-Kommission selbst äußerte 2018 vehemente Bedenken wegen des hohen Risikos einer Refoulement-Verletzung bei der Etablierung solcher Einrichtungen und bezweifelte die Vereinbarkeit mit EU-Werten. Trotzdem scheint die Kommission unter dem Druck von Mitgliedstaaten von diesem Standpunkt abgewichen zu sein. NGOs teilen diese Bedenken und weisen auf die Gefahren von Return Hubs und der (de facto) Inhaftierung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen in abgeschirmten Camps hin. Die Grundrechteagentur der EU (FRA) kam zu dem Schluss, dass Return Hubs keinesfalls „right-free zones“ sein dürfen und nur unter strenger Überwachung unabhängiger Menschenrechtsschutz-Mechanismen zulässig sind. Zudem erweisen sich Return Hubs als ineffektiv zur Erhöhung der Rückführungszahlen und als extrem teuer, wie das Beispiel der australischen „offshoring“-Praxis zeigt. Aus grund- und menschenrechtlicher sowie aus fiskalen Erwägungen ist dringend von der Errichtung bzw. Institutionalisierung von Return Hubs abzuraten.

Ausblick

Das erklärte Ziel der Europäischen Kommission einer effektiven, harmonisierten Rückführungspolitik ist mit dem vorliegenden Entwurf noch weit entfernt. Der Entwurf einer Rückführungs-VO, obwohl als unmittelbar anwendbare Verordnung konzipiert, suggeriert einen Anspruch auf Vereinheitlichung, der bei genauerer Betrachtung nicht vollständig erfüllt wird. In zentralen Bereichen wie Schubhaft und Rechtsschutz bleiben signifikante Umsetzungsspielräume für die Mitgliedstaaten bestehen, was einer tatsächlichen Vollharmonisierung entgegenwirkt und die Gefahr eines „Fleckerlteppichs“ an nationalen Regelungen birgt.

Kritisch hervorzuheben ist der tiefgreifende Abbau rechtsstaatlicher Garantien im Verordnungsentwurf. Dies zeigt sich unter anderem bei den Regelungen zur aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen Rückkehrentscheidungen und der potenziell unbefristeten Anhaltung von Personen in Sicherungshaft. Die Abkehr vom grundsätzlichen Automatismus der aufschiebenden Wirkung verstößt gegen Bestimmungen der GRC und der EMRK und ist mit der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und des EGMR unvereinbar.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Verhandlungen zwischen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament entwickeln werden. Es bleibt zu hoffen, dass einzelne besonders kritische Punkte, wie die verpflichtende gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen ohne umfassende Harmonisierung der Verfahren, die drastische Verlängerung der zulässigen Höchstdauer der Schubhaft oder die Institutionalisierung von Return Hubs, in der finalen Version nicht beschlossen werden. Diese Bestimmungen werden in der Praxis kaum einen positiven Einfluss auf die tatsächliche Effektivität des Rückführungsregimes haben und sind menschenrechtlich höchst bedenklich. Marginalie erste Seite: Der vorliegende Artikel ist eine gekürzte Fassung des gleichnamigen Beitrags der Autoren, erschienen im Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht 2025 (Hrsg. Filzwieser/Kasper).


[1] EuGH 19.6.2018, C-181/16, Gnandi.