Rashid ist als 16-Jähriger nach Österreich gekommen. Sein Ziel war es, zu lernen und wurde dabei auch von vielen Menschen unterstützt. Über ein Projekt ist er zur asylkoordination gekommen und hat in den letzten Jahren hunderten Schüler:innen vermittelt, was Flucht bedeutet. Hier erzählt er unseren Leser:innen seine Geschichte.

Von Rashid Hassan Zada

Ich kam erst im Winter auf die Balkanroute. Nachdem ich mit der Fähre von der griechischen Insel, auf der ich wie viele andere gelandet war, nach Athen gekommen bin, machte ich mich auf den Weg. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon eine anstrengende Flucht in eisiger Kälte durch den Iran und die Türkei hinter mir. Es war immer noch Winter als ich von Athen aufbrach und mit dem Bus und dann Zug nach Nordmazedonien gefahren bin. Gestoppt wurde der Zug, in dem viele Flüchtlinge unterwegs waren, an der Grenze zu Serbien. Wir wurden aber nicht mehr ins Land gelassen. An der Grenze wurden wir von NGOs mit Essen und Trinken versorgt und wir konnten in einem großen Zelt übernachten. Es wurde bald klar, dass die Balkanroute geschlossen war. Nach und nach kamen immer mehr Menschen, die nicht mehr weiter konnten und bald wurde ein kleines Dorf aus Zelten aufgebaut. Den Rest des Winters, ungefähr zwei Monate, blieb ich dort.

Die nordmazedonische Polizei brachte uns schließlich an die Grenze, die wir in der einbrechenden Dunkelheit überquerten. Von einem serbischen Dorf, das wir mit Hilfe des GPS erreichten, fuhren wir mit dem Taxi nach Belgrad. Von dort ging die Fahrt ohne weitere Unterbrechung an die ungarische Grenze.

Die geborgte Familie

Dort gab es allerdings kein Weiterkommen und zwar für die nächsten sechs Wochen. Ungarn hatte inzwischen die Grenze dicht gemacht und ließ nur jeden Tag ca. zehn Menschen, alles Familien, einreisen. Da ich aber alleine unterwegs war, musste ich warten. Hilfe kam in Person einer alleinerziehenden Mutter mit ihren beiden halbwüchsigen Kindern. Sie wurde von ihrem Schlepper betrogen und stand ohne Geld da, sie hätte sich in Ungarn nicht einmal Tickets kaufen können. Ich schlug ihr vor, die Reisekosten zu übernehmen, wenn sie mich als ihren Sohn mit über die Grenze nimmt.

Von Győr fuhr ich schließlich nach Wien, wo ich am Hauptbahnhof ankam – der Winter war inzwischen vorbei und ich hatte das Gefühl, endlich in Freiheit angekommen zu sein.

Ich wusste nicht, ob ich in Österreich bleiben sollte. Jedenfalls fuhr ich zuerst einmal nach Graz zu einem Bekannten meiner Familie, wo ich für eine Woche bleiben konnte, um mich auszuruhen und ausgiebig zu waschen.

Ich musste mich entscheiden, ob ich weiterreisen sollte oder bleiben. Mein Gastgeber fragte mich, ob ich Geld verdienen oder weiter in die Schule gehen wolle. Er meinte, wenn ich mich weiterbilden möchte, sei Österreich eine gute Wahl. Ich blieb.

Nachdem ich meinen Asylantrag in Traiskirchen gestellt habe, kam ich nach Villach und von dort in eine UMF-Einrichtung der Caritas im zehnten Bezirk.

Ich wollte auf jeden Fall meine Chancen hier in Österreich nutzen, in die Schule gehen und die Sprache lernen. Ich hatte das Glück immer Freunde zu haben, die mich unterstützt haben, wenn ich Hilfe brauchte.

Matura mit Asyl

Als ich nach Wien kam, haben die Betreuer:innen für uns Schulen gesucht. Ich wurde zuerst in einen Deutschkurs geschickt, in ein Gebäude das gar nicht wie eine Schule ausgesehen hat. Da ich ja in eine Schule wollte, bin ich wieder raus. Später bekam ich dann doch die Chance, gleich eine Schule zu besuchen und zwar eine so genannte Übergangsklasse in einem Gymnasium in der Donaustadt. Geholfen hat mir, dass ich mich ganz gut auf Englisch verständigen konnte. Die Mitschüler:innen, insgesamt 16, waren alle Flüchtlinge. Wir wurden in Englisch, Mathe, Deutsch und Ethik unterrichtet, Unterrichtssprache war Deutsch. Vier von uns haben es geschafft, weiter in der Schule zu bleiben.

Inzwischen hatte ich einen negativen Bescheid vom BFA bekommen, aber die Betreuer:innen haben mich beruhigt, dass ich nicht gleich abgeschoben werde. Wir haben dann eine Beschwerde eingereicht und auf einen Termin vor dem Bundesverwaltungsgericht gewartet. Insgesamt hat mein Asylverfahren fünf Jahre gedauert, erst 2021 habe ich dann Asyl bekommen.

Die Zeit in der Schule habe ich in sehr guter Erinnerung, ich war eigentlich mehr in der Schule als in meiner UMF-Wohngemeinschaft. Die Lehrer:innen und vor allem die Direktorin waren immer für mich da, wenn ich etwas gebraucht habe. Vor allem Mathematik war schwierig und die Professorin hat sich Zeit genommen, nach der Schule mit mir noch Beispiele durchzurechnen. Zum Deutschlernen habe ich von Anfang an – auf den Rat einer Lehrerin hin – viel gelesen, zum Beispiel Zeitungen auf dem Schulweg, der ziemlich lang war. Ich habe dann immer Worte, die ich nicht kannte, aufgeschrieben und die Lehrer:innen oder Betreuer:innen gefragt, was sie bedeuten.

In den Ferien habe ich dann gratis Deutschkurse besucht, allerdings weniger um die Sprache zu lernen – das tut man in Kursen nicht – sondern um die Zeit bis zum nächsten Schuljahr zu überbrücken.

Im gleichen Jahr in dem ich Asyl bekommen habe, habe ich dann auch meine Matura gemacht. Ich habe dann ein Studium an der Uni Wien begonnen. Momentan mache ich eine Pause und werde im nächsten Semester mein Studium an der Pädagogischen Hochschule fortsetzen.

In einer der Grundversorgungsquartiere hat mich eine Praktikantin in die Halle zum Bouldern mitgenommen, dieser Sport hat mich gleich begeistert, so sehr dass ich mein ganzes Taschengeld für den Eintritt ausgegeben habe. Heute bin ich in einer Boulderhalle geringfügig beschäftigt und kann so viel klettern, wie ich Lust habe. Mein zweiter Job ist bei der asylkoordination, für die ich seit ca. vier Jahren Workshops in Schulen halte, wo ich mit den Schüler:innen afghanische Drachen baue und ihnen von meinen Erfahrungen erzähle, damit sie von jemanden aus erster Hand erfahren was Flucht und Exil bedeuten.