gemma! Der Name ist Programm: Der Grazer Verein motiviert seit zehn Jahren zu gemeinsamen Aktivitäten von Menschen, die in Österreich und in anderen Ländern geboren sind. Eine Erfolgsgeschichte mit Ups und Downs.

Von Eva Reithofer-Haidacher

Eigentlich hat alles schon vor 2015 begonnen. Stefanie Stadlober lebte mit einem jungen Afghanen in einer Wohngemeinschaft. „Wir waren zu dritt sehr beschäftigt, ihn beim Ankommen zu unterstützen“, erzählt sie. Die Obfrau des Vereins gemma! – GEMEINSAM MACHEN erlebte damals, wie unterstützend ein Freund:innenkreis, der hier geboren und aufgewachsen ist, sein kann.

Als 2015 viele Jugendliche aus fernen Ländern ankamen, wollte sie gemeinsam mit vier Freund:innen ein breiteres Angebot auf die Beine stellen. Bei Workshops der Young Caritas entstanden erste Ideen für ein Projekt, die sie in Schulen und Asyl-Quartieren vorstellten: Über gemeinsame Aktivitäten sollten sich junge Menschen aus unterschiedlichen Kulturen näherkommen und Freundschaften entstehen. „Damals war das Mindestalter für ehrenamtliches Engagement 18 Jahre. Wir wollten einen Rahmen schaffen, wo sich auch Jüngere treffen können“, erzählt sie. Das Interesse war groß: 80 Schüler:innen und 70 geflüchtete Jugendliche wollten teilnehmen. Das erste Kennenlernen fand schließlich im März 2016 statt. Ihre gemeinsamen Interessen waren: Fußball, Musizieren, Deutschlernen, Radfahren, Bummeln, Volleyball.

Stolze Bilanz

Danach startete gemma! mit einer Kerngruppe aus 50 Personen. Stefanie Stadlober muss heute noch lächeln, wenn sie daran denkt, dass die Aktivitäten als Selbstläufer gedacht waren: „Wir wollten die Leute zusammenbringen und dann sollten sie sich unkompliziert und selbst organisiert weiter treffen.“ Doch so einfach war es nicht. Bald war den Initiator:innen klar, dass für eine erfolgreiche Umsetzung ihrer Idee eine klare Struktur notwendig war. Ein Vorstand wurde gegründet, eine Generalversammlung abgehalten, ein Vereinslokal in der Grazer Innenstadt eröffnet. „Und das alles zu 100 Prozent ehrenamtlich und aus Spenden finanziert“, so Stadlober.

Ihr Engagement hat sich gelohnt, 2020 konnte das Team stolz auf ihre Bilanz verweisen: 458 Teilnehmende aus 24 Nationen waren mehr als 2.000 Stunden gemeinsam aktiv. Dafür investierte das Organisationsteam 6.380 Stunden. Und das trotz der herausfordernden Situation während der Covid-Pandemie, wo auf virtuelle Treffen, Termine im Freien und mit den nötigen Sicherheitsmaßnahmen ausgewichen werden musste.

Langer Atem

Die Liste der Angebote ist lang – von Radausflügen, Boxen, Schwimmen und Kochabenden bis hin zu Lernhilfe und individueller Beratung. Herzstück ist das Erzählcafé & Infobüro, das mittlerweile zweimal wöchentlich stattfindet und in dem alle Fragen und Lebensthemen Platz haben.

Die Zahl der Teilnehmenden wächst. Sie kommen aus der Ukraine, Syrien, Afghanistan, Iran, Jemen, Ägypten, Somalia, Österreich u.v.m. „Es ist sehr durchmischt“, sagt Stefanie Stadlober, doch sei es mittlerweile eine Herausforderung, Einheimische zum Mitmachen zu bewegen. „Altersgrenze gibt es keine, alle sind willkommen und es sind durchaus auch ältere Menschen und Familien bei unseren Aktivitäten dabei“, erzählt sie. Der Aufenthaltsstaus – ob im Asylverfahren oder mit Studierendenvisum – spielt keine Rolle.

Das Team hat einen langen Atem bewiesen, doch ihre Lebenssituation hat sich geändert. „Wir waren früher alle Student:innen und hatten andere zeitliche Ressourcen“, meint Stefanie Stadlober, die in der Zwischenzeit drei Studien – Transkulturelle Kommunikation, Dolmetschen und Soziale Arbeit – abgeschlossen hat und neben ihrer Tätigkeit bei gemma! als Übersetzerin für Englisch und Spanisch arbeitet. Um weitermachen zu können, gibt es nun drei Angestellte mit geringem Stundenausmaß, die die Aktivitäten und die 14 Freiwilligen koordinieren.

Finanzierung ungewiss

Ohne öffentliche Förderung geht es nicht mehr, doch die wackelt zunehmend. Das Projekt Sport verbindet, das gemma! gemeinsam mit der asylkoordination durchführt, wird vom Sportministerium voraussichtlich nicht mehr weiter finanziert. Das Land Steiermark hat in den vergangenen Jahren die Förderung ihres Hauptprojektes IBIB: Interkultureller Begegnungsraum & Individuelle Beratung stetsohne Begründung abgelehnt. 

„Unser Ziel für nächstes Jahr ist es, unser Angebot aufrechtzuerhalten. Das ist nur möglich, wenn IBIB und Sport gut ausfinanziert sind“, so Stadlober. Grund genug für ein Crowdfunding, das professionell aufgesetzt ist und derzeit erfolgreich läuft. Dank langjähriger Netzwerk-Arbeit sind im Endspurt rund € 20.000 eingelangt. Ein gutes Zeichen, denn ein friedliches und respektvolles Miteinander ist gefragter denn je. In diesem Sinne: Ad multos annos, gemma!

Weitere Infos: www.gemma.group