Kleine Orte – große Power

Oft führt die Unterbringung von Geflüchteten in ländlichen Gemeinden zu Protesten und auch die Betroffenen sind nicht immer glücklich, außerhalb einer Großstadt leben zu müssen. 2015 haben sich gerade in kleineren Gemeinden dutzende Flüchtlings-Initiativen gegründet. Viele gibt es heute noch – zwei Beispiele.

Von Andrea Jantschko

In der kleinen Gemeinde Pillichsdorf im südlichen Weinviertel: Eine kleine Gruppe von Aktivist:innen blickt zurück auf zehn intensive, anstrengende aber auch erfolgreiche Jahre. Im Jahr 2016 richtet das Land Niederösterreich in Absprache mit dem damaligen Bürgermeister drei Kilometer außerhalb des Ortes ein Quartier für Flüchtlinge ein. Die Unterkunft bietet ein Dach über dem Kopf, doch mit allen anderen Bedürfnissen sind die betroffenen Personen auf sich allein gestellt: Behördengänge, Schulbesuch der Kinder ohne öffentlichen Nahverkehr, medizinische Versorgung usw.

Da springen einige Einheimische ein. Unter dem klingenden Namen Die Notbremsen packen sie an und organisieren Schritt für Schritt, was zu tun ist. Die Hilfsbereitschaft einiger Weniger wirkt ansteckend und so gelingt es immer wieder, auch Personen miteinzubeziehen, die zunächst nur ratlos aus der Ferne zuschauen oder sich im besten Fall mit Spenden beteiligen. Freund:innen, Bekannte und professionelle Netzwerke finden sich zusammen und sorgen dafür, dass die Neuankömmlinge nicht allein gelassen werden.

Die Notbremsen heben ab

In unzähligen Einsätzen werden Sachspenden verteilt, Fahrdienste angeboten, Quartiere vermittelt, Deutschkurse organisiert und vieles mehr. Die Notbremsen, die sich nach einigen Monaten als Verein konstituiert haben, bemühen sich um ein gutes Verhältnis mit den offiziellen Stellen. So gelingt es im Jahr 2018, ein gemeindeeigenes Gebäude zumindest notdürftig zu adaptieren und Asylsuchende darin unterzubringen. Das löst nicht nur ein dringendes Unterkunftsproblem, sondern hat auch Symbolwirkung: Geflüchtete Menschen und ihre Unterstützer:innen sind jetzt mitten im Ort präsent, mehr Begegnungen und eine direkte Auseinandersetzung mit dem Thema sind dadurch möglich.

Dieses Haus steht heute leider nicht mehr zur Verfügung und viele der früher betreuten Personen leben mittlerweile selbständig oder sind in andere Länder weitergezogen. Sobald es für sie rechtlich möglich war, sind auch viele von ihnen nach Wien übersiedelt. Der aktive Unterstützer:innenkreis ist zwar inzwischen ebenfalls kleiner geworden, aber die Vereinsmitglieder unterstützen nach wie vor bei Bedarf. Milena Bister, die von Anfang an bei Die Notbremsen aktiv ist, meint dazu: „Wir machen weiter, pflegen unsere Netzwerke und die Öffentlichkeitsarbeit. Denn es kann jederzeit wieder eine ähnliche Situation wie damals eintreten und wir wollen vorbereitet sein.“

Auch Gmünd hilft

Ähnlich wie in Pillichsdorf ist auch in Gmünd vor zehn Jahren eine Initiative entstanden, die sich bis heute über einen Mangel an Aufgaben nicht beschweren kann. Die Waldviertler Kleinstadt nahe der tschechischen Grenze beherbergt ebenfalls viele Flüchtlinge. Zwar gab es anfangs teilweise große Skepsis bei der ortsansässigen Bevölkerung, aber die Bilder von überfüllten Zügen und Massenankünften bewegten 2015 auch hier viele Menschen. In kürzester Zeit sammelten sich in Privathäusern und -höfen so viele Sachspenden an, dass spontan entstandene Gruppen von Spendensammler:innen sich an die Gemeinde um Unterstützung wenden mussten. Sie bekamen ein großes, leerstehendes ehemaliges Fabrikgebäude als Lager zur Verfügung gestellt. Dort begegneten einander die Spender:innen und Asylwerber:innen, die in- außerhalb der Stadt gelegenen Quartieren untergebracht worden waren.

Lernen für Deutsch- und Führerscheinprüfung

Andrea Seidl-Schumacher beschreibt diese Situation als Startschuss für den Verein Gmünd hilft, dessen Mitglieder sich von da an um die vielfältigen Alltagsprobleme der neu zugewanderten Menschen kümmerten. Neben vielen anderen Aktivitäten stellten Personen zur Verfügung, die jungen Menschen halfen, den Führerschein mittels „L17“ zu erwerben, denn ohne Auto ist das Leben in der abgelegenen Region doppelt hart. Die Fahrt zu Behörden nach St. Pölten dauert eineinhalb Stunden. Ein großes Anliegen von Gmünd hilft war und ist vor allem, Begegnungen und Kontakte zu ermöglichen. Dafür wurde sogar für einige Jahre ein eigenes Vereinslokal als „Begegnungscafé“ geführt. Ehrenamtliche Mitarbeiter:innen standen dort zu fixen Zeiten als Ansprechpartner:innen zur Verfügung und geflüchtete Personen konnten dort entspannen, Kontakte knüpfen, Deutsch lernen und vieles mehr.

Die Mitarbeiter:innen der beiden Initiativen haben sich kreativ und engagiert der herausfordernden Situation am Land gestellt. Ebenso wie für NGOs in der Stadt gibt es jedoch von offizieller Seite auch für sie praktisch keine Anerkennung und finanzielle Unterstützung. Viel Not wurde durch privates Engagement gelindert, die Aufgabenbereiche änderten sich, wurden aber nicht weniger. Doch der Kampfgeist scheint ungebrochen. „Wir wollen unsere Erfahrungen und das Know How gern an andere weitergeben“, sagt Frau Seidl-Schuhmacher