Studierende gestalten eine Station des Ersten Wiener Protestwanderwegs. Diese Station, die Vordere Zollamtsstraße 7, war 2015 neben dem Hauptbahnhof und dem Dusika-Stadion ein neuralgischer Punkt bei der Bewältigung der Fluchtbewegung in Wien.
Von Patricia Hladschik
Es begann mit einer E-Mail: Eva Hörmanseder, Studentin an der Universität für angewandte Kunst Wien, wandte sich gegen Ende des Jahres 2018 an die Leiterin von Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule. Ihr Anliegen war klar: Die Erfahrung, dass die Angewandte im Herbst 2015 eines ihrer Gebäude in der Vorderen Zollamtsstraße als Notquartier für geflüchtete Menschen geöffnet hatte, sollte nicht im Verborgenen bleiben. Dieses Kapitel solidarischen Handelns sei es wert, Teil des Ersten Wiener Protestwanderwegs von Zentrum polis zu werden, so Eva.
Die Anfrage fand offene Ohren. Nach einer kurzen Abstimmung mit Martin Auer, dem Autor des Protestwanderwegs, war der Weg frei: Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Laura LuzianovichundGabriela Petrovicbegann Eva an der Gestaltung einer neuen Station zu arbeiten. Honorar verlangte sie dafür keines, denn die Arbeit entstand im Rahmen des Masterlehrgangs für Ausstellungstheorie und -praxis educating/curating/managing (2018–2020), der künstlerische Praxis mit kuratorischen und gesellschaftspolitischen Fragen verbindet.
Vom Notquartier zum Erinnerungsort
Rückblickend war das Jahr 2015 von humanitären Herausforderungen geprägt. Tausende Geflüchtete erreichten Wien, und die Frage, wie rasch Unterkünfte geschaffen werden könnten, stellte sich täglich neu. Die Angewandte reagierte damals rasch und unbürokratisch: Ein frisch erworbenes, noch nicht genutztes Gebäude in der Vorderen Zollamtsstraße wurde in Absprache mit der Bundesimmobiliengesellschaft kurzerhand zu einem provisorischen Wohnraum für Schutzsuchende umfunktioniert.
Für viele war es mehr als nur ein Dach über dem Kopf. Studierende und Helfende schufen eine Atmosphäre, in der Begegnung, Kommunikation und ein Stück Alltag möglich waren. Inmitten der Anspannung und Unsicherheit bot das Gebäude auch Momente der Menschlichkeit. Genau dieses Gefühl wollten die drei Studentinnen später im Protestwanderweg festhalten.
Der Protestwanderweg als kollektives Gedächtnis
Der Protestwanderweg versteht sich als lebendiges Archiv des Widerstands und der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in Wien. Unterschiedliche Stationen markieren Orte, an denen Demokratie erkämpft, Menschenrechte eingefordert oder alternative Lebensformen erprobt wurden. Mit der Station zum Thema Asyl wurde auch die Episode rund um das Asylquartier der Angewandten Teil dieser Route. Damit steht die Universität nun in einer Reihe mit unterschiedlichen symbolträchtigen Orten, vom Parlament oder dem O5-Symbol am Stephansdom über die Arena, das WUK oder die Türkis Rosa Lila Villa bis hin zur Ringstraße als Ort von Protesten – allesamt Symbole dafür, dass Protest und Engagement das Wiener Stadtbild prägen und verändern.
Studierende als Erinnerungsarbeiterinnen
Für Eva Hörmanseder, Laura Luzianovich und Gabriela Petrovic war die Gestaltung dieser Station mehr als eine künstlerische Übung. Sie verstanden sich als Erinnerungsarbeiterinnen, die ein Stück gelebte Solidarität in den öffentlichen Raum tragen. Durch ihre Initiative wurde sichtbar, dass Universitäten nicht nur Orte des Lernens und Forschens sind, sondern auch gesellschaftliche Akteurinnen, die im richtigen Moment Verantwortung übernehmen können. Und dass Studierende diejenigen sind, die solche Erfahrungen bewahren, reflektieren und weitertragen.
Damit ist die Station Recht auf Asyl auch mehr als nur ein Verweis auf ein Ereignis von 2015: Sie ist ein lebendiges Zeichen dafür, dass Solidarität sichtbar gemacht und ins Gedächtnis einer Stadt eingeschrieben werden kann. Sie wird – weil der Protestwanderweg bei jeder Station auch Übungen und Reflexionsfragen für die Arbeit mit Jugendlichen bereitstellt – Teil eines Erinnerungsparcours, der nicht nur Vergangenes dokumentiert, sondern auch aktuelle Fragen stellt: Wie geht eine Gesellschaft mit schutzsuchenden Menschen um? Welche Verantwortung tragen Universitäten, Kunst- und Bildungsinstitutionen in diesem Kontext? Und wie kann künstlerisches Arbeiten helfen, diese Fragen für die Zukunft zu öffnen?
Martin Auer und Eva Hörmanseder präsentierten bei OPENING UP: BIS AUF WIDERRUF GEÖFFNET im Juni 2019 die neue Station des Protestwanderwegs.
Die Inhalte der Station: Zunächst wird die Geschichte des Ortes selbst erzählt, wie durch zivilgesellschaftliches Engagement mehr als tausend geflüchteten Menschen rasch Hilfe gewährt werden konnte, wie das Leben im Gebäude organisiert und wie gemeinsam gekocht, getanzt, gebaut, gespielt und auch gelernt wurde. Danach folgen Informationen zum Recht auf Asyl allgemein sowie Begriffsklärungen und ein Blick auf die Situation weltweit. Den Abschluss bildet eine Darstellung der österreichischen Situation.
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