Die Idee zum Comedor del Arte stammte vom Hainfelder Franz Witzmann. Er wollte immer schon ein Haus betreuen, in dem sich Menschen kostenlos auf kreative und spielerische Weise entfalten können und nicht nur mit dem Nötigsten abgespeist werden.
Von Alexandra Eichenauer-Knoll
Im Rahmen des Sozialfestivals Tu was, dann tut sich was[1] konnte Franz seinen Traum im Jänner 2016 umsetzen. Er wurde Leiter eines Hauses mitten in Hainfeld und vor allem unermüdlich hilfsbereiter Gesprächspartner für unsere rasch wachsende Community. Ich selbst half mit Deutschkursen, organisierte Einreichungen, Workshops und die nötige PR. Wir hatten Glück, segelten, so verrückt die Idee auch ursprünglich schien, bei gutem Wind und waren ein tatkräftiges Team.
Das Haus, konzipiert für „Hiesige und Zuagroaste“, wurde fast ausschließlich von Menschen, die im Ort oder im nahen Asylquartier Klammgruberhof einquartiert waren, genutzt. Der Zuspruch war so groß, dass uns das Leader-Geschäftsführerin Petra Scholze-Simmel, ermutigte, uns als Leader-Projekt für weitere drei Jahre zu bewerben, wofür wir 2017 den Verein Herzverstand gründeten.
In den Folgejahren waren wir durch Markteinnahmen, Spenden und verschiedene weitere Zuwendungen bereits solide aufgestellt und konnten relativ unbeschwert insgesamt acht Jahre lang das Begegnungshaus führen. So viel zu den nicht unwesentlichen finanziellen Rahmenbedingungen.
Kreativität und Kooperation
Gerade in den ersten Jahren war es im besten Sinne turbulent – es gab laufend Deutschkurse, Workshops, Spielenachmittage; Leute kamen, um Tee zu trinken, zu plaudern, auf den Bus zu warten, unseren WLAN-Anschluss zu benutzen oder um in unserer Nähwerkstatt im ersten Stock zu arbeiten. Und es kamen die von Franz so geliebten Kinder – zum Spielen und für Hausaufgaben.
Rückblickend sind es vor allem künstlerische Projekte, die eine besondere Strahlkraft entwickelten. Zwei afghanische Schauspieler, die bei Festen auftraten und dafür Stücke schrieben, erst nur pantomimisch, dann mit Text: Bei „Alte Helden“ spielten der halbe Vereinsvorstand mit und Franz in der Rolle des Robin Hood. In einigen Kreativworkshops wurden Produkte erzeugt, die wir am Weihnachtsmarkt verkauften – Schachteln aus einem Buchbinder:innenseminar, Fußabstreifer aus alten Kletterseilen, Taschen und Yogapölster aus gespendeten Stoffen. Dafür fanden wir immer ehrenamtliche Leiter:innen. Ich selbst veranstaltete eine Zeitlang Frauentreffen mit Vorträgen meiner Freundinnen und einen Singkreis mit Ukrainer:innen.
Im Sommer gab es Kulturfeste, spontane Bolani-Partys sowie eine Zeitlang sogar ein Küchenteam, das bei Veranstaltungen aufkochte.
Denn auch die lokale Anbindung war uns ein großes Anliegen – wie sonst sollte Integration gelingen? Franz hielt z. B. mit Mohammad Ahmadi einen Pantomimeworkshop in der Volksschule Hainfeld ab. In Kooperation mit dem Stadtmarketingverein Wir Hainfelder nähten unsere tüchtigen Schneider:innen nicht weniger als 40 Engelkleider für den Volksschulchor. Im Sommer gab es mehrmals Angebote, die wir auch im Rahmen des örtlichen Ferienspiels ausschrieben. Und bis heute organisieren wir Leute, die sich als Osterhasen für den Ostermarkt verkleiden.
Talente zu entdecken, Gleichgesinnte zu vernetzen, alles schien uns leicht und spielerisch von der Hand zu gehen. Und so hatten wir auch kaum Anfeindungen zu ertragen.
Es geht weiter – auch ohne den Gründer
In der Coronazeit wurde es schwierig, aber trotzdem war das Haus weiterhin geöffnet und vor allem Kinder wurden beim Homeschooling unterstützt. Nach dem Ende des Lockdowns bis zu seinem unerwartet Ableben war Franz, unterstützt von Renate Höfler, vor allem für Kinder und Jugendliche in der Hausaufgabenbegleitung tätig.
Schon bei seinem Begräbnis im Juli 2023 zeigte sich, dass der Comedor del Arte längst nicht nur ein Haus, sondern eine große Familie ist. Auch ohne Haus sind wir bis heute mit vielen verbunden, helfen u.a. beim Ausfüllen von Formularen, Ärzt:innenbesuchen oder Hausaufgaben. Und wir leisten auch finanzielle Hilfe, z. B. für einen Schulausflug, der mit € 200,- das Budget einer Familie in Grundversorgung sprengt, oder für Psychotherapie für von jahrelangem Warten zermürbte Menschen. Einmal finanzierten wir sogar einen Führerschein. Gerade die Umbruchphase zwischen dem positiven Statusbescheid und dem Ankommen in einem „normalen“ Leben mit Wohnung und Arbeit fordert besondere Begleitung.
Wir machen weiter, solange wir gebraucht werden und die Kraft dazu haben. Ganz persönlich bin ich zutiefst dankbar, durch die unterschiedlichen Begegnungen so sinnstiftend beschenkt zu werden.
[1] Das Festivalwurde initiiert vom Zentrum für Ethik und Armutsforschung in Salzburg, finanziert von österreichischen Privatstiftungen und organisiert vom Leader-Büro Mostviertel-Mitte

