Ein Zug, der vor zehn Jahren aus dem Nichts kam, noch immer fährt und Hoffnung gibt.
Von Andrea Jantschko

12 Uhr Mittag an einem Freitag im September 2025: Das Community-Center für Vertriebene aus der Ukraine öffnet seine Pforten – so wie jeden Mittwoch bis Sonntag seit fast drei Jahren. Es ist ein großer Umschlagplatz für all das, was man* brauchen könnte, wenn das Leben im Herkunftsland nicht mehr möglich ist und das Leben im Zielland der Flucht noch zu neu, zu unbegreiflich und noch zu fremd ist. Was kann die:der Besucher:in hier bekommen? – Informationen, Kleidung, Essen, Gesellschaft, Verständnis, Zuhörer:innen … Es gibt Ansprechpartner:innen, Bücher und Kurse in der Muttersprache sowie jede Menge Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden. Jede:r, der:die möchte, kann ihre:seine Fähigkeiten hier einbringen. Hier schaffen drei hauptamtliche Mitarbeiter:innen zusammen mit einem Heer von Freiwilligen – aus Österreich und aus der Ukraine – ein Bienenhaus am Leben zu erhalten, das beeindruckend viele Aktivitäten anbietet. Von den klassischen Tätigkeitsfeldern der Versorgung mit materiellen Grundgütern über persönliche Beratung und Rechtshilfe bis hin zu Bildungsangeboten ist alles vertreten.
Auf Augenhöhe begegnen
Die wohlsortierte Kleiderausgabe im zweiten Stock des Community-Centers ist ein Beispiel für viele Win-Win-Situationen: Alles ist tip-top sauber gepflegt und einladend arrangiert. Ältere geflüchtete Personen nehmen hier die Spenden an, sortieren und präsentieren sie. Sie haben kaum Chancen, jemals am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die meisten von ihnen leben getrennt von ihren Familien, hier haben sie jedoch Anschluss gefunden und eine sinnvolle Tätigkeit, die ihren Alltag strukturiert. Die Kleidungsstücke werden nicht verteilt, sondern angeboten, jede:r sucht sich aus, was er:sie braucht und tragen möchte. Dies entspricht einem der Prinzipien der Aktivist:innen von Train of Hope: Nicht Almosen verteilen, sondern auf Augenhöhe begegnen. Menschen, deren Existenz vollkommen auf den Kopf gestellt wurde, ihre Würde zu belassen oder wieder zu geben.
Weiters gilt: Nicht „die notwendigsten Bedürfnisse erfüllen“, sondern „bieten, was auch immer möglich ist“. Es werden zum Beispiel nicht nur Grundnahrungsmittel als Spenden angenommen, sondern auch Süßigkeiten.
Zu den Maximen gehört auch, nicht FÜR sondern MIT den geflüchteten Personen gemeinsam Hilfe zu organisieren, sie nicht auf ihre Flüchtlings-Eigenschaft zu reduzieren, sondern sie als ganzen Menschen wahrzunehmen. Ebenso dürfen und sollen die anderen ehrenamtlichen Helfer:innen sich entfalten und ihre persönlichen Kompetenzen einbringen. Nichts ist vorgegeben und in ein bestimmtes Fahrwasser gelenkt, alle Aktivitäten richten sich nach der Situation und den jeweiligen Bedürfnissen der Zielgruppe.
Tausende halfen am Bahnhof

Diese Offenheit dürfte ein Teil der Erklärung sein, warum sich Train of Hope im Herbst 2015 so rasend schnell entwickelte und zunächst am Wiener Hauptbahnhof binnen weniger Tage eine Infrastruktur schaffen konnte, die tausenden ankommenden bzw. durchreisenden Migrant:innen zielgerichtete Erstversorgung bieten konnte. Mit dabei zu sein bei der Verteilung von warmen Mahlzeiten, dem Organisieren von Schlafplätzen, Rechtsberatung etc. war Empowerment pur – und zwar für alle Beteiligten. Es waren keine abgebrühten Profis am Werk, sondern Menschen, die schlicht und einfach taten, was im Moment getan werden musste. Manuela Ertl, eine der Aktivist:innen der ersten Stunde, formuliert deren Beweggründe so: „Der Staat hat versagt – die Wiener Bevölkerung wollte nicht dabei zuschauen, die Menschen haben uns leidgetan…“ Nach wenigen Wochen konstituierte sich die spontan entstandene Bewegung als Verein um sowohl leichter mit Behörden kooperieren zu können als auch den freiwilligen Helfer:innen – über 6.000 Personen – ein Mindestmaß an Absicherung zu gewährleisten.
Das Projekt entwickelte sich laufend weiter, denn zu tun gab es auch in den folgenden Jahren mehr als genug. Es entstand das Zentrum im 23. Bezirk, das bis heute mit Rat und Tat, Lebensmitteln, Möbeln und sogar einem Gemeinschaftsgarten Migrant:innen jeglicher Herkunft beim Aufbau ihres neuen Lebens unterstützt. Mittlerweile wurde Train of Hope auch zu einem Mitglied im Verband der österreichischen Tafeln und sorgt damit dafür, dass gerettete und gespendete Lebensmittel den Menschen in der Grundversorgung zugutekommen, die mit äußerst wenig Geld auskommen müssen. Für diesen Bereich gibt es immerhin geringe staatliche Förderung aus dem Bereich Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Für das gesamte Projekt Train of Hope gibt es jedoch leider bis heute keine Grundfinanzierung und somit keine Absicherung und keine langfristige Perspektive. Beim Rückblick auf zehn aktive Jahre mischen sich daher die diesbezügliche Enttäuschung mit dem Stolz auf die erfolgreiche Arbeit: „Solange man uns braucht, werden wir weitermachen – solange wir es noch finanzieren können.“

