Liebe Leser:innen,
warum „Sommer der Solidarität“? Wir haben bewusst diesen Titel gewählt, weil es dem entspricht was wir und viele, die damals in Österreich Zuflucht gesucht und gefunden haben, 2015 erlebt haben: eine unglaubliche Welle der Solidarität, die mehr war als nur helfen. Das im Nachhinein als Kampfbegriff gegen die Solidaritätsbewegung mit Geflüchteten in Anschlag gebrachte „Willkommensklatschen“ war nicht nur warme Begrüßung, sondern auch eine Anerkennung für das, was diese Menschen geschafft hatten. Tausende hatten den weiten Weg von ihren verwüsteten Heimatländern trotz aller Hindernisse geschafft. Sie hatten Handlungsmacht bewiesen, sie hatten dafür gesorgt, dass wie Alexander Behr in seinem Text in diesem Heft schreibt, „ das europäische Grenzregime für wenige Wochen paralysiert war“.
Wenn wir jetzt auf die letzten zehn Jahre zurückblicken, tun wir das im Bewusstsein, dass die tausenden Helfer:innen in ganz Europa das Richtige getan haben. Werte wie Menschlichkeit und Nächstenliebe, die Europa für sich beansprucht, und verbriefte Rechte wie Schutz vor Verfolgung und das Recht auf Familienleben, die jedem Menschen zustehen, wurden durchgesetzt.
Ja, wir haben es geschafft! Und wir lassen es nicht zu, dass diese Leistung der Ankommenden und der Unterstützenden umgedeutet wird. Flucht ist nicht „Migration“, kein Mensch flüchtet ohne Not, und schutzsuchende Menschen sind keine Naturkatastrophe, keine „Welle“ oder „Flut“ gegen die „Dämme“ gebaut werden müssen. Und es ist nicht die Aufnahme der Geflüchteten in den letzten zehn Jahren gewesen, die die „Autoritäre Wende“ (Judith Kohlenberger) verursacht hat. Wir hatten schon 2008 eine verheerende Finanzkrise, wir hatten eine Pandemie und einen russischen Angriffskrieg – und wir erleben ein eklatantes Politikversagen, wenn es um die Eindämmung steigender Ungleichheit und der Herausbildung von Oligopolen in sensiblen Bereichen wie der Energie- und IT-Wirtschaft geht. „Das alles spielt zusammen und bewirkt ein generelles Gefühl der Überforderung und des Kontrollverlusts“, erklärt Kohlenberger im Interview in diesem Heft (und ausführlicher in ihrem neuen Buch). Aber in einer rassistisch grundierten Gesellschaft lässt sich, wie sie ausführt, mit der Angst vor Fremdgemachten gut Politik machen. „Rechte Parteien schaffen es, das allgemeine Gefühl der Überforderung auf ein konkretes Problem, eben „die Migrationskrise“ herunterzubrechen.“
Wir wollen in dieser Nummer nicht die politischen Versäumnissen, die problematische Rolle der Medien oder die mutwillige Desintegration durch Minister:innen und Landesrät:innen untersuchen, sondern Menschen porträtieren, die 2025/16 nach Österreich gekommen sind, sowie Organisationen, Projekte und Initiativen, die sie beim Ankommen und Weiterentwickeln unterstützt und begleitet haben, sodass wir gemeinsam feststellen können: „Wir haben es geschafft.“

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Wir haben zwar keine Paywall – dennoch ist asyl aktuell wertvoll!

