Im zehnten Wiener Gemeindebezirk, unweit von Wiens größter Volksschule, öffnet sich die Tür zum Ute Bock Bildungszentrum. Ein Ort, an dem Geflüchteten eine Chance auf Bildung gegeben wird.
Von Maria Fellinger
Schon beim Betreten des Bildungszentrums fällt die lebendige Atmosphäre auf. Hinter der Glastür empfängt ein Zivildiener die Lernenden und kontrolliert die Anwesenheiten. Häufig sitzt er nicht allein an seinem Schreibtisch, sondern wird zeitgleich von einem „Büffelbock“ – einem der Kinder aus der Lernbetreuung – unterhalten. Aus den verschiedenen teils kreativ ausgemalten Klassenzimmern drängen die ganze Woche lang Stimmen von Jung und Alt. Seit dem Jahr 2017 bekommen Geflüchtete hier kostenlosen Zugang zu Lernangeboten und können von der ersten Alphabetisierung weg bis zum Sprachniveau B2 Deutsch lernen oder in Basisbildungskursen Kompetenzen erwerben. Außerdem finden hier Kinder aus Familien mit Fluchtgeschichte Unterstützung beim Lernen.
Büffelböcke – neue Sprache, neue Umgebung, gemeinsames Lernen
Zurzeit büffeln hier täglich 40 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren aus Familien mit Fluchtbiographie. Die Ehrenamtlichen des Bildungszentrums kümmern sich nicht nur um die individuellen schulischen Bedürfnisse, sondern fördern auch die Interessen der Kinder durch Workshops, kreative Angebote oder den ein oder anderen Ausflug in den Ferien. Eine Unterstützung, die in den Familien der Kinder nicht immer gegeben ist, da diese selbst nicht über die Sprachkenntnisse verfügen und aufgrund ihrer eigenen herausfordernden Geschichte und der eigenen Bildungsbenachteiligung Schwierigkeiten haben, mit ihren Kindern zu lernen. Zudem sind die Familien finanziell nicht gut aufgestellt und können sich so keinen Platz im Hort, einer Ganztagsschule oder private Angebote leisten. Die Nachfrage nach den Lernplätzen sei groß, erzählt Cornelia Krisper, die Leiterin des Bildungszentrums, „Wir können nur eine Handvoll neuer Kinder pro Semester aufnehmen. Den Vorzug erhalten dabei die jüngeren Kinder der ersten Volksschulklassen, da wir hier im Lernprozess am besten ansetzen können“. Viele Kinder, vor allem etwas Ältere, müssten anderswo versuchen, einen Platz zu bekommen.
Klient:innenzentrierter Unterricht
Neben der Lernbetreuung der Kinder füllen gerade rund 300 Erwachsene wöchentlich die Klassenräume, um Deutsch zu lernen. Durch den engagierten Einsatz der freiwilligen Unterrichtenden bekommen hier insbesondere jene Menschen die Möglichkeit auf einen Sprachkurs, die sonst keinen kostenlosen Deutschkurs (mehr) bekommen. In den geförderten Kursen des ÖIF seien pro Sprachniveau nur zwei Kurse und Prüfungsantritte vorgesehen, dann sollen die Sprachkompetenzen erworben sein. Doch nicht alle Personen können den Anforderungen dieser Deutschkurse gerecht werden, was nicht verwundert, wenn man an die herausfordernden Lebenssituationen und möglichen Mehrfachbelastungen von Geflüchteten denkt. Seien es das Alter, Betreuungs- und Pflegepflichten in der eigenen Familie oder chronische Erkrankungen, dies alles kann den Spracherwerb und das Lernen generell deutlich erschweren. Außerdem ist es für bildungsbenachteiligte Personen mit wenig oder keiner Schulerfahrung in ihrer Heimat nicht möglich, mit dem erwarteten Lerntempo dieser Kurse mitzuhalten.
Manche Teilnehmende haben auch schon länger keinen Deutschkurs mehr besucht, hatten auch im Alltag keine Gelegenheiten, ihre Sprachkenntnisse weiter zu festigen und so das Gefühl, vieles vom Gelernten wieder vergessen zu haben. Etwa weil der Kontakt zu Österreicher:innen über formelle, offizielle Kontexte nicht hinausgeht und es schwierig ist, Freundschaften zu knüpfen. Hier im Bildungszentrum können sie Sprachkompetenzen – unter anderem auch in Konversationskursen, die einen informelleren Charakter haben – wieder auffrischen und finden hier einen Ort des Austauschs und des Miteinanders.
Zusätzlich würden immer wieder Personen aus Niederösterreich den Weg auf sich nehmen, da es dort um das Angebot von Deutschkursen schlecht steht. In Wien wiederum gibt es für Asylwerber:innen, die aus der Grundversorgung gefallen sind, auch nur wenige Deutschkursangebote.
Die Deutschkurse am Bildungszentrum sind klient:innenzentriert. Die Inhalte werden bestmöglich an die Teilnehmenden angepasst und vor allem alltagsrelevante Sprachhandlungen im Unterricht gestärkt. „Was brauchst du genau? Was möchtest du noch einmal wiederholt haben?“, dies sei die grundlegende Haltung den Teilnehmenden gegenüber. Es wird zwar in eigenen Vorbereitungskursen auch eifrig auf die ÖIF– Prüfungen hingearbeitet, aber abseits davon stressen keine strikten Vorgaben eines Anfang- und Enddatums.
Diese niederschwelligen Kursangebote wären ohne die Ehrenamtlichen, die sich mit viel Engagement und Herz für die Lernenden einsetzen und auf sie eingehen, nicht möglich. Dies prägt auch die Lernatmosphäre, da den Teilnehmenden ein Raum gegeben wird, in dem sie Wertschätzung und Gemeinschaft erleben. Sie erfahren, dass es den ehrenamtlichen Lehrenden ein Anliegen ist, sie bestmöglich bei ihrem Lernprozess zu unterstützen. Was nun das Bildungszentrum für die Zukunft braucht? Spenden zum Überleben und Ehrenamtliche, um weiterhin flexibel und zielgerichtet helfen zu können, und so auch den vielen Menschen auf der Warteliste eine Chance auf Bildung zu geben.

